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Gesunde Böden und Betriebsaufstellung sind Schlüssel für Klimaresilienz

Am 23. März kamen 45 Landwirt:innen an der Ackerbauschoul (LTA) zusammen, um sich anhand interaktiver Übungen und praktischer Bodenanalysen mit dem Ansatz des EU-Projekts ClimateFarming vertraut zu machen. Die Ekologesch Landwirtschaftsberodung hat den Workshop im Rahmen des EU-Projekts ClimateFarming in Zusammenarbeit mit dem deutschen Partner Triebwerk organisiert.

Landwirt:innen sind Wind und Wetter gewöhnt. Jedoch bereitet kein Umweltfaktor ihnen so viel Kopfzerbrechen wie der Klimawandel. Das ergab auch unsere Umfrage 2022/2023. Lange Trockenheitsperioden und Starkregen führen immer häufiger zu Ertragsausfällen und Futtermangel. Hinzu kommt zunehmende Planungsunsicherheit durch sich ändernde Vegetationszeiten, die auch zu mehr Arbeitsstress auf den Höfen führen. Nur ein aktuelles Beispiel: Aufgrund der warmen Temperaturen und des vielen Regens hat die Vegetationszeit dieses Jahr besonders früh begonnen. Gleichzeitig sind viele Böden so nass, dass sie nicht bestellt werden können. Sobald die Felder wieder befahrbar sind, wird unter Hochdruck gedüngt und gesät werden müssen.

Der ClimateFarming-Ansatz

Natürlich ist die Landwirtschaft den Naturgewalten schon immer ausgeliefert gewesen. Der Klimawandel gibt der Abhängigkeit jedoch eine neue Dimension und ist Teil des Gefüges aus tatsächlichem und erlebtem Druck, der vielen Betrieben zu schaffen macht. Ziel des ClimateFarming-Projekts ist es daher, den Landwirt:innen bewusst zu machen, dass es auch – und vielleicht gerade – in Bezug auf den Klimawandel Möglichkeiten gibt, die sie selber in der Hand haben. Hierbei handelt es sich wohlgemerkt nicht um allgemeingültige Wunderheilmittel oder Patentrezepte. Vielmehr hat unser Projekt mit dem ClimateFarming-Zyklus einen Ansatz in fünf Schritten entwickelt, bei dem gemeinsam mit der Betriebsleitung betriebsspezifische und standortabhängige Optionen für mehr Klimaresilienz strategisch geplant und umgesetzt werden:

  • Schritt 1 – Status Quo: Wie ist mein Betrieb aufgestellt? Wie ist mein Boden?
  • Schritt 2 – Vulnerabilitätsanalyse: Wie anfällig ist mein Betrieb im Hinblick auf den Klimawandel?
  • Schritt 3 – Maßnahmen: Wie kann ich meinen Boden verbessern und meinen Betrieb anpassen? Welche Optionen gibt es?
  • Schritt 4 – Klimastrategie: Wie mache ich meinen betrieb klimafit (kurz-, mittel- und langfristig)?
  • Schritt 5 – Umsetzung & Monitoring: Mit welchen Maßnahmen lege ich los? Wie überprüfe ich den Erfolg?

Dabei verbindet das Projekt auf systematische Weise zwei Ebenen, die oftmals getrennt voneinander angegangen werden: Boden und Betrieb, und zwar im Kontext ökologischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und Veränderungen. Sie bilden den Handlungsspielraum der Betriebe. Böden können verbessert werden. Betriebe können diversifiziert werden. Darum ging es beim ersten Farmer Workshop des Projekts in Luxemburg.

Auch bot der Workshop einen ausgezeichneten Anlass, noch mehr über Einschätzungen und Praktiken hiesiger landwirtschaftlicher Betriebe zu erfahren und Feedback einzuholen. Das zu diesem Zweck eingesetzte Mentimeter, bei dem Landwirt:innen per Handy (in Echtzeit) bestimmte Fragen beantworten konnten, hat sich diesbezüglich mehr als bewährt.

Multitalent Boden hegen und pflegen

Bodenkundlerin Alena Holzknecht von Triebwerk führte in die vielfältigen Funktionen des Bodens in Bezug auf Ökosysteme und Klima ein (siehe Downloads). Im Vordergrund stand der Boden als Quelle und Speicher von Kohlenstoff (der verbunden mit Sauerstoff das klimaschädliche CO2 ergibt). Aufgrund des Klimawandels verlieren unsere Böden immer mehr Kohlenstoff. Hinzu kommen intensive Landnutzungsformen, welche natürlichen Bodenstrukturen (dem Bodenleben!) schaden, wie übermäßiges Pflügen und Verdichtungen (etwa durch schwere Maschinen), oder die Umwandlung von Grünland zu Acker. Zu den weitreichenden Konsequenzen hiervon zählen ein erhöhtes Risiko von Erosion (bei dem wertvoller Mutterboden weggeschwemmt wird) bzw. von Staunässe, eine geringere Wasserspeicherung und eine geringere Sauerstoff- und Nährstoffverfügbarkeit für Pflanzen und Lebewesen. Das Bodenleben verarmt. Es muss mehr gedüngt werden, um Ertragsniveaus zu halten. Mit anderen Worten: Mit dem Verlust von Kohlenstoff, schwindet im wortwörtlichen Sinne der Nährboden der Landwirtschaft.

Daher ist die (Wieder-)Belebung der Böden ein Schlüssel zu mehr Klimaresilienz. Welche Maßnahmen hierzu beitragen ist weitläufig bekannt. Das ClimateFarming-Projekt liefert somit keine neuen Antworten – dafür aber zusätzliche Argumente für Bewirtschaftungsmethoden (viele davon ursprünglich aus biologischem und regenerativem Anbau), die mittlerweile von immer mehr Betrieben durchgeführt werden. Dies ging auch aus den Mentimeter-Antworten der Teilnehmenden hervor (siehe Einführung unter Downloads). Zu ihnen zählen unter anderem eine reduzierte Bodenbearbeitung (Pflugverzicht), Zwischenfrüchte, erweiterte Fruchtfolgen, Untersaaten und der Einsatz von organischem Mulch oder Kompost.

Maßnahmen wie diese verbessern die Wasserhaltekapazitäten des Bodens und wappnen ihn somit gegen Auswaschungen und Trockenheit.  Selbstverständlich bieten sie keinen „Rundum-Sorglos-Schutz“ gegen jegliche extreme Wetterereignisse und müssen über Jahre durchgeführt werden, um grundlegende Bodenverbesserungen zu erzielen. Auch geht es nicht ohne ein wenig Experimentierfreudigkeit. Unstrittig aber ist, dass Bodengesundheit eine wichtige Voraussetzung für eine klimaresiliente Produktion ist. Wunderlösungen, zudem noch auf Knopfdruck, gibt es ohnehin selten.

Bodenansprache im Feld

Ganz praktisch wurde mit den teilnehmenden Betrieben beim Workshop mittags eine „Bodenansprache im Feld“ (siehe Downloads) durchgeführt, um zu zeigen, wie Landwirt:innen selbst die Gesundheit ihres Bodens (und damit auch den Erfolg bodenverbessernder Maßnahmen) erfassen können. Im Mittelpunkt stand die Spatendiagnose und der Aggregatstabilitätstest, bei dem die  Wasserstabilität von Bodenkrümeln erfasst wird. Aufgrund des tagelangen Regens hatte Marc Jacobs, Landwirtschaftsberater des Oekozenter, Spatenproben von eigenen Feldern mitgebracht, anhand derer die Teilnehmenden sich über Parameter für Bodengesundheit wie Oberfläche, Geruch, Farbe und Durchwurzelung austauschen und damit auch Rückschlüsse auf ihre Bewirtschaftungshistorie und mögliche Verbesserungsoptionen ziehen konnten.

Den im Rahmen des ClimateFarming-Projekts entwickelten Dokumentationsbogen für den Betriebsspiegel und die Standort- und Bodenanalysen (Schritt 1) finden Sie unter „Downloads“ (derzeit noch auf Englisch).

Robuste und diversifizierte Betriebe im Vorteil

Im zweiten Workshop-Teil erläuterte Nils Tolle von Triebwerk, der selbst einen Familienbetrieb im Nebenerwerb übernommen hat, wie Betriebe ihre Anfälligkeit (Vulnerabilität) sowie ihre Stärken und auch mögliche Chancen systematisch erfassen können (SWOT-Analyse, siehe Folien 43-52 zu Schritt 2 in der Präsentation unter Downloads).

Als Grundlage dient der Betriebsspiegel, Standort- und Bodenanalysen sowie Wetterdaten und Klimaprojektionen. Gleichzeitig wird den Zielen und Möglichkeiten des Betriebs besondere Beachtung geschenkt. Welches Mindesteinkommen benötigt ein Betrieb für Betriebskosten, Löhne, Kredite, Investitionen usw.? Wie viele Arbeitskräfte arbeiten auf dem Betrieb? Welche ökologischen und gesellschaftlichen Ziele verfolgt er?

Hierauf aufbauend werden Optionen für mögliche Maßnahmen formuliert – von bodenverbessernden Maßnahmen bis hin zur Eröffnung neuer Betriebszweige – die sich anbieten, um die Klimaresilienz zu verbessern und die Betriebsziele zu erreichen (Schritt 3).

Auf dieser Grundlage wird schließlich gemeinsam mit dem Landwirt/der Landwirtin eine Betriebsstrategie entwickelt, im Rahmen derer geplant wird, welche Maßnahmen kurz-, mittel- und langfristig umgesetzt werden sollen (Schritt 4). Das Ziel der Strategie besteht darin, über punktuelle Maßnahmen hinauszugehen und den gesamten Betrieb nicht nur für klimatische, sondern auch für zukünftige wirtschaftliche und politische Herausforderungen, mit denen der Betrieb in Zukunft konfrontiert werden könnte, gut zu rüsten. Nils Tolle unterstrich: „Nur ein betriebswirtschaftlich robuster Betrieb, kann auch klimaresilient sein. In Zeiten des Klimawandels und vieler anderer Krisen wächst das Risiko, dass betriebliche Schwächen im schlimmsten Fall zum Aus führen“. Dies trifft insbesondere auf hochspezialisierte und hochverschuldete Betriebe zu, die „alles auf eine Karte“ setzen und etwa große neue Ställe bauen, ohne sicher sein zu können, ob sie in Zukunft überhaupt genug Futter produzieren bzw. die Preise für Futterzukäufe stemmen können.

Im Gegensatz hierzu werden die Risiken in diversifizierten Betrieben auf mehrere Betriebszweige verteilt. Schäden und Einbußen durch Wetterextreme, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Veränderungen können besser abgefedert und aufgefangen werden. Dies gilt vor allem auch für Betriebe, die unabhängiger von globalen Lieferketten sind (ob für Futter- und Düngemittel oder ferne Absatzmärkte) und auf geschlossene regionale Nährstoffkreisläufe und Vermarktung setzen: Stichwort Autarkie.

Gesprächsrunde mit Praxisbeispielen

Abschließend fand ein Austausch mit den Betriebsleitern Luc Emering und Fränky Peller über die Aufstellung und Strategie ihrer Betriebe statt (Dudel-Magie bzw. A Lill), die beispielhaft auf Basis des ClimateFarming-Ansatzes ausgearbeitet worden sind. Beide Betriebe zeichnen sich unter anderem durch eine vielfältige Produktpalette, direkte Vermarktungswege und die Produktion erneuerbarer Energien aus. Auf welche Abwägungen basieren Entscheidungen über betriebliche Weichenstellungen wie den Aufbau neuer Betriebszweige?

Alle beide betonten, dass ihre Entscheidungen nicht von ihnen alleine, sondern in Gesprächen mit der Familie getroffen und auch vor dem Hintergrund der Geschichte ihrer Betriebe zu betrachten sind. Der eine unterstrich, dass beim Aufbau neuer Produktionszweige (mit entsprechenden Investitionen) eine gewisse unternehmerische Risikofreudigkeit unabdingbar sei. Demgegenüber verwies der andere darauf, dass er eher dazu neige, „auf Nummer sicher“ zu gehen. Dies bedeute unter anderem, den Futter- und Flächenbedarf seines Betriebs nicht wesentlich zu erhöhen und einen wachsenden Anteil des Einkommens über lokale und regionale Wege zu erwirtschaften (einschl. über einen Selbstpflückergarten). Partnerschaften mit anderen Landwirt:innen sowie gute Kontakte zu Verbraucher:innen sind beiden ebenfalls wichtig. Jeder Betrieb sei aber anders und müsse seinen eigenen Weg finden.

Was bodenverbessernde Maßnahmen angeht, so experimentieren beide unter anderem mit verschiedenen Fruchtfolgen, robusten Kulturen, Feldfutter und Obstbäumen. Sie betonten, dass es sich hierbei um einen andauernden Lernprozess handelt, bei dem sie über Jahre hinweg verfolgen und analysieren, welche Maßnahmen sich je nach Boden und Wetter gut bewähren (Schritt 5). Dass hierbei auch Fehler geschehen und teils grundsätzliche Korrekturen vorgenommen werden müssten, gehört für sie ganz selbstverständlich dazu. Dies betrifft auch die Bereitschaft, bestimmte Standorte eventuell ganz für den Ackerbau aufzugeben, sofern keinerlei Maßnahmen greifen.

Wie geht es weiter im Projekt?

Beim Workshop gab es vielerlei Anregungen und nützliches Feedback für das ClimateFarming-Projekt. Insgesamt 20 (von 33) Teilnehmenden stimmten der Aussage „teils zu“, dass sie nützliche Erkenntnisse und Methoden aus dem Workshop mitnehmen würden, um sich besser an den Klimawandel anzupassen. Sechs stimmten dem „voll und ganz“ zu. Das Praktikergespräch, die Praxisbeispiele und die interaktive Einbindung der Teilnehmenden mithilfe des Mentimeter kamen besonders gut an. Hierauf aufbauend werden sich die Partner bis zum Projektabschluss im März 2025 noch stärker an konkreten Praxisbeispielen orientieren und Landwirt:innen verstärkt in die Vorbereitung und Entwicklung zukünftiger Veranstaltungen und interaktiver Formate einbeziehen.

Wir bedanken uns recht herzlich bei allen teilnehmenden Landwirt:innen, den Partnerbetrieben und unseren assoziierten Partnern, der LTA, LLJ und IBLA für ihre engagierten Beiträge.

Weitere Informationen zum Projekt: www.climatefitfarming.eu

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