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EU-Projekt endet mit Training für landwirtschaftliche Klimafitness

Der März 2025 war der wärmste jemals aufgezeichnete Monat in Europa, Extremwetterereignisse häufen sich. Gemeinsam mit deutschen und tschechischen Partnern hat das Oekozenter Pafendall daher über die letzten drei Jahre ein Angebot für Betriebe, Beratungs- und Bildungseinrichtungen entwickelt, das Klimaresilienz fördern soll. Interessierte aus Luxemburg konnten sich im März damit vertraut machen.

Geboten wurde ein vielseitiges Training bestehend aus zwei Webinaren, einer zweitägigen Exkursion sowie eLearning und Praxisübungen. Das Training wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Agroforst-Planungsbüro  und Projektpartner Triebwerk angeboten. Eine der Hauptbotschaften lautete: Bodengesundheit und die strategische Planung von betrieblicher Diversifizierung sind Schlüssel für Klimaresilienz. Patentrezepte gibt es jedoch nicht: Maßnahmen und Strategien müssen zu den ökologischen Gegebenheiten und auch der sozialen und wirtschaftlichen Aufstellung eines jeden Betriebs passen. Immer wieder müssen Maßnahmen hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit und sich verändernden Rahmenbedingungen auf den Prüfstand gestellt werden – ein andauernder Lernprozess.

Die Weiterbildung ermöglichte es den Teilnehmenden, sich eingehend mit den vielfältigen Facetten von Klimaresilienz in Theorie und Praxis auseinanderzusetzen:

  • Herausforderungen und Zusammenhänge rund um Klimawandel und Landwirtschaft,
  • Maßnahmen aus der regenerativen Landwirtschaft zur Verbesserung der Bodengesundheit und Klimaresilienz im Acker- und Gemüsebau, in der Frucht- und Agroforstwirtschaft,
  • Methoden zur Erfassung der Vulnerabilität von Flächen gegenüber Extremwetterereignissen,
  • Strategische Betriebsentwicklung mit den Schwerpunkten Diversifizierung und regionale Wertschöpfung.

Den 15 Teilnehmenden aus den Bereichen Landwirtschaft und Gemüsebau, Klima- und Naturschutz, Beratung und Forschung wurde vielerlei Gelegenheit für Austausch, eigene Lektüre und praktisches Ausprobieren geboten. Gemeinsame Busfahrten, gemeinsames Grillen und Essen sorgten für gesellige Momente in lockerer Runde.

 

Werragut: ein Innovationshub

Das Training begann mit einer Online-Einführung in die Thematik. Danach folgte der Höhepunkt des Programms, eine Exkursion zu zwei Betrieben in Hessen. Am 8. März konnten die Teilnehmenden auf dem Biolandhof Werragut eine der bedeutendsten Demonstrationsflächen für Agroforst in Deutschland besichtigen. Triebwerk hat dort einen 12 Hektar großen Agroforst mit derzeit 1.200 Gehölzen und etwa 90 unterschiedlichen Sorten angelegt, der kontinuierlich im Hinblick auf Klimaresilienz, Baumschutzanforderungen, Krankheitsanfälligkeit, Erträge, Nutzungsmöglichkeiten und Pflegebedarf untersucht und weiterentwickelt werden – ein wahrer Innovationshub.

Triebwerk-Mitgründer Janos Wack gelang es auf beeindruckende Weise den Bogen zwischen Theorie und Praxis zu spannen. In seinen Erläuterungen zu Agroforst, Böden, Pflanzen und Tierwelt ließ er auch Schwierigkeiten, Unwägbarkeiten und Widersprüche nicht aus. Bei gemeinsam durchgeführten  Spatendiagnosen und Aggregatsstabilitätstests im Feld wurde besprochen, wie eine schonende Bodenbearbeitung, vielfältige Kulturen und Fruchtfolgen und regenerative Bewirtschaftungspraktiken Böden besser gegen Erosion, Dürren, Schädlinge und Krankheiten schützen können, und zwar ganz ohne synthetische Mittel.

Darüber hinaus konnten sich die Teilnehmenden ein Bild von nachhaltiger Viehhaltung mit mobilen Legehennenställen und einer alten Rinderrasse (Rotes Höhenvieh) machen – sowie auch von der Arbeit mit Menschen mit Unterstützungsbedarf, die auf dem Hof leben. Die Besichtigung der hofeigenen Backstube und die Vorstellung eines Müsliprojekts durch den Verein ReSoLa, einschließlich ausgiebiger Kostproben, boten wertvolle Einblicke in die Voraussetzungen für den Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten. Hierzu gehören insbesondere regionale Verarbeitungsmöglichkeiten zu bezahlbaren Preisen. Ausgerechnet Haferflocken haben sich in dieser Hinsicht als Herausforderung erwiesen.

Es ist jedoch zu hoffen, dass die Verbraucher:innen in Nordhessen am Frühstückstisch in nicht allzu ferner Zukunft in den Genuss der aromatischen getrockneten Nüsse, Früchte und Beeren (wie Maulbeeren, Maibeeren, Elsbeeren und Feigen) aus lokaler Produktion kommen können.

 

Niederkaufungen: Wie eine Gemeinschaft Klimaschutz lebt

Am 9. März besuchte die Gruppe die Kommune Niederkaufungen bei Kassel. Die rund 80 Bewohner:innen  haben sich dort ganz dem Klima- und Umweltschutz verschrieben.  Ihr Gemüsekollektiv sorgt mit rund 2,5 Hektar Ackerland und ca. 60 Gemüsekulturen für einen hohen Grad an Selbstversorgung und vermarktet seine Produkte nach den Prinzipien der solidarischen Landwirtschaft. Der Anbau orientiert sich an den Prinzipien des regenerativen und bio-intensiven Anbaus. Fleisch und Düngemittel kommen unter anderem aus der eigenen Tierhaltung mit freilaufenden Schweinen und einer alten Rinderrasse, dem schwarzbunten Niederungsrind.

 

Im Rahmen eines Forschungsprojektes der Universität Kassel (AKHWA) wird außerdem erforscht, wie verschiedene Praktiken des regenerativen Ackerbaus die Wasserspeicherfähigkeit von Böden verbessern. Experimentiert wird auch mit innovativen Maschinen, etwa dem Geohobel, der eine minimale Bodenbearbeitung mit gleichzeitigem Säen und der Zerkleinerung von Gründüngung ermöglicht.

Die Besichtigung der Kommune – ihrer Werkstätten, Vorratsräume (u.a. für Obst, Sauerkraut, Schinken), Kleider- und Möbelkammern, Fahrrad- und Fahrzeugflotten – sowie die Regeln, nach denen die Gemeinschaft sich organisiert hat, regten einen lebhaften Austausch an. Es war beeindruckend zu sehen, wie Konsumverzicht, Selbstversorgung, Solidarwirtschaft und Sharing Economy in der Kommune gelebt werden, und wie ernst gemeinter Klima- und Umweltschutz einen neuen Lebensstil und andere Formen des kollektiven Zusammenlebens erfordern.

Andererseits könnten sich wohl die Wenigsten vorstellen, ihre Reisen bzw. Reisemittel im Kollektiv abzustimmen (Flugreisen sind absolute Ausnahmen) und ihre Einkommen in der Gemeinschaft zu poolen und zu verwalten. Wie auch immer man hierzu stehen mag, vielerlei interessante Eindrücke, Denkanstöße und Beispiele für nachhaltiges Leben und Wirtschaften bot der Besuch allemal.

Was bleibt: Eine Online-Plattform für Klimaresilienz

Das Abschluss-Webinar bot den Teilnehmenden die Gelegenheit, eigene Aktivitäten vorzustellen und fachkundiges Feedback von Janos Wack von Triebwerk und den anderen Teilnehmenden einzuholen. Darüber hinaus stellte Projektpartner Luc Emering seine neue Agri-PV-Pilotanlage vor, die Photovoltaik mit Legehennenhaltung kombiniert (mit Biodiversitätsauflagen) und Teil seiner Diversifizierungs- und Klimaresilienz-Strategie des Biohofs „An Dudel“ ist.

Das Webinar bildete den Abschluss des Erasmus+-Projekts, das von Oktober 2022 bis April 2025 gelaufen ist. Eine Fülle an Materialien wurde entwickelt, die nun online verfügbar sind: Alle, die sich dafür interessieren, wie sich der Klimawandel auf die Landwirtschaft auswirkt und wie Betriebe sich  besser gegen den Klimawandel wappnen können, finden auf der Projekt-Webseite neben theoretischen Texten auch praktische Beispiele und Vorlagen für Vulnerabilitäts- und Bodenanalysen und Klimaresilienz-Strategien – die Eckpfeiler des ClimateFarming-Zyklus, dem Herzstück des Projekts. Eine Lernplattform lädt alle ein, sich im eigenen Rhythmus in die Thematik einzuarbeiten und die Methoden in der Praxis anzuwenden, ob auf dem eigenen Betrieb, in der Beratung oder anderswo: learning.climatefitfarming.eu. Die Plattform gibt es auf Deutsch, Englisch, Französisch und Tschechisch und ist frei zugänglich.

In Deutschland und Tschechien hat der Ansatz dank des Projekts bereits Einzug in die Beratungs- und Weiterbildungsangebote der Partner gefunden. Kein Wunder: Schließlich ist fehlende Klimaresilienz überall eine zunehmende Bedrohung für Betriebe, Agrarökosysteme und unsere Nahrungsmittelproduktion. Gleichzeitig gibt es nur wenige Angebote in der Beratung und Weiterbildung, die sich der Herausforderung ganzheitlich und betriebsspezifisch stellen. Diese Lücke hat das Projekt gefüllt.

Mit dem Projektabschluss geht nun allerdings auch die Arbeit der Landwirtschaftsberatung des Oekozenter Pafendall nach mehr als 35 Jahren endgültig zu Ende. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Klimaresilienz sich zunehmend in der landwirtschaftlichen Beratung und Bildung wiederfinden und in der Praxis ohnehin eine immer wichtigere Rolle spielen wird. Mit seinen Workshops, Trainings und Multiplikatoren-Events hat das Projekt hoffentlich einen Beitrag hierzu geleistet. Der Bedarf ist auf jeden Fall beträchtlich.

Zum Schluss ist es Zeit für ein herzliches Dankeschön: Es gilt allen Teilnehmenden des Trainings für ihre engagierte Mitarbeit und die tolle Stimmung, Triebwerk für die unentbehrliche Fachkunde und organisatorische Unterstützung, den anderen Projektpartnern aus Deutschland (CEFE, Hof Tolle) und Tschechien (Ampi, Ekofarma) sowie unseren letzten Landwirtschaftsberatern, Marc und Tom, für die inspirierende Zusammenarbeit. Ihr wart wunderbar.

Weitere Infos: www.climatefitfarming.eu