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Neue Start-up-Prämie für landwirtschaftliche Kleinstunternehmen

Anfang 2021 wurde die Existenzgründungsbeihilfe (Start-up Prämie) zur Entwicklung von Kleinstunternehmen vom Ministerium für Landwirtschaft, Weinbau und ländliche Entwicklung gesetzlich umgesetzt. Sie besteht aus einer finanziellen Beihilfe in Höhe von 15.000.-€ und richtet sich vor allem an Quereinsteiger*innen im landwirtschaftlichen Sektor, die eine Nahrungsproduktion mit Direktvermarktung, bzw. Vermarktung mit maximal einem Zwischenverkauf anstreben.

Die Schaffung einer Fördermöglichkeit für Quereinsteiger*innen in die Landwirtschaft begrüßen wir sehr, da sie dringend notwendig ist, um den Menschen, die den Schritt in eine regionale landwirtschaftliche Lebensmittelproduktion wagen, eine wichtige finanzielle Unterstützung und Wertschätzung entgegenzubringen und das finanzielle Risiko für sie zu minimieren. Angesichts der Notwendigkeit einer ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltigen Lebensmittelproduktion sollte die Politik Anreize und Rahmenbedingungen schaffen, damit Konzepte wie Solidarische Landwirtschaft oder Mikrofarming sich verbreiten und Landwirte/Landwirtinnen und Quereinsteiger*innen in dieser Form der Landwirtschaft langfristig attraktive Perspektiven für sich erkennen können.

Engagement für die Verbesserung der Bedingungen kleinstrukturierter landwirtschaftlicher Betriebe

Die  „ökologische Landwirtschaftsberatung“ des „Oekozenter Pafendall“ und der „Lëtzebuerger Landjugend & Jongbaueren“ war bereits 2019 gemeinsam mit der „Plattform Solidaresch Landwirtschaft“ in einer Unterredung mit dem Landwirtschaftsminister Romain Schneider und den verantwortlichen Verwaltungen, wobei sie Hürden für die Verbreitung der Solidarischen Landwirtschaft aber auch anderer Konzepte kleinstrukturierter Landwirtschaft aufgezeigt, Lösungsvorschläge und Forderungen hervorgehoben und zusammen mit den politischen Verantwortlichen besprochen haben. Eine Grundidee war es, die legalen Rahmenbedingungen für die kleinstrukturierten Betriebe und den Einstieg für Quereinsteiger*innen zu verbessern. Besonders hervorgehoben wurde hier und immer wieder in einer späteren Arbeitsgruppe sowie in Briefen unsererseits an die Politik, dass Kleinstbetriebe wie etwa viele Solawi-Betriebe, die oft auf weniger als einem Hektar wirtschaftlich existenzfähig sind, noch immer nicht als vollwertige Akteure im landwirtschaftlichen Sektor anerkannt werden. Es ging und geht noch immer um die Forderung einer Reform der Anerkennung dieser alternativen und innovativen Form von Landwirtschaft, die auch auf kleinster Fläche wirtschaftlich rentabel sein kann bis hin zu ihrer Berücksichtigung im landwirtschaftlichen System und damit auch dem Zugeständnis entsprechender Förderungen und landwirtschaftlicher Privilegien. In diesem Bereich konnte die beharrliche Arbeit unserer Organisationen bereits dazu beitragen, einige Fortschritte herbeizuführen.

Was bringt die Start-up Prämie?

Die Erstinstallierungsprämie in Höhe von 75.000.-€, wie sie für Junglandwirte bei der Betriebsübernahme bereits seit Jahren besteht, ist für die meisten Quereinsteiger*innen keine reelle Option, weil sie die dafür benötigte Fläche für den notwendigen Standardoutput von mindestens 75.000.-€ meist nicht bewirtschaften können, um den Vollerwerbsstatus zu erreichen, welcher aber eine Bedingung für die Förderung ist. Hinzu kommen Bedingungen wie z.B. landwirtschaftliche Berufserfahrung und eine Verpflichtung von 10 Jahren im Falle einer Förderung, ansonsten einer Rückzahlungsforderung, welche natürlich eine gewisse Schwelle und einen existentiellen Druck für Neueinsteiger*innen darstellt. Die Start-up Prämie stellt hier eine niederschwellige Unterstützung im Vergleich zu der eben besprochenen Erstinstallierungsprämie dar, um dem Einstieg etwas Druck zu nehmen und das eigene Betriebskonzept zu erarbeiten, umzusetzen und erproben zu dürfen. Sie erlaubt es, Neugründer*innen, ihr Unternehmen nach eigenem Maßstab verhältnismäßig und mit Reduzierung der größeren Risiken, den strengeren Anforderungen und dem erheblichen finanziellen und administrativen Aufwand, die eine Erstinstallierungsprämie mit sich bringen, aufzubauen. In einem weiteren Schritt ist es den gelungenen Neugründungen immer noch möglich, den Schritt in den Neben- und Vollerwerb zu wagen, um von landwirtschaftlichen Förderprogrammen wie etwa der Erstinstallierungsprämie zu profitieren.

Die Start-up Prämie könnte einen wesentlichen Teil des relativ niedrigen Investitionsaufwandes eines Kleinstunternehmens wie etwa einer Gemüsebau-Soalwi im Vergleich zu klassischen Landwirtschaftsbetrieben decken. Die 15.000.-€ Beihilfe aus nationalen Geldern setzt sich zusammen aus einer Beihilfe für Beratungskosten zur Erstellung eines Konzeptes/Betriebsplanes (max. 3.000.-€) und einer darauffolgenden Investitionsbeihilfe zur Umsetzung des Betriebsplans in zwei Schritten in Höhe von insgesamt 12.000.-€. Kleinstunternehmen werden als Betriebe mit maximal 10 Mitarbeiter*innen und einem Umsatz von 2 Mio. Euro definiert. Bestehende landwirtschaftliche Betriebe im Haupt- und Nebenerwerb, die ein Anrecht auf die Agrar-Fördermittel haben, sind nicht zugelassen für die Start-up Prämie, dies um doppelte Förderungen zu vermeiden. Dennoch kann die Existenzgründungsbeihilfe in Fällen auch zur Förderung der Diversifikation der bestehenden landwirtschaftlichen Betriebe genutzt werden, wenn ein Landwirt beispielsweise einen neuen Betriebszweig in Form einer vom Betrieb unabhängigen juristischen Form entwickeln will.

Herr Bob Steichen ist seit März 2021 Hauptansprechpartner für die Existenzgründungsbeihilfe zur Entwicklung von Kleinstunternehmen beim Landwirtschaftsministerium und kümmert sich um die eingereichten Anträge. In einem informativen ersten Gespräch mit ihm erläuterte er uns die zur Start-up-Prämie gehörigen Bestimmungen und antwortete auf unsere Fragen. Zu begrüßen ist die offene Konzeptualisierung der Beihilfe. Beispielsweise sind alle Rechtsformen theoretisch förderfähig, ebenso haben die Gründer*innen einen gewissen Spielraum bei der Wahl der Beratung zur Erstellung des Businessplans soweit sie belegen können, dass die gewählte Beratung dem Ziel des Businessplans dient. Neugründer*innen sollen bereits vor der Umsetzung ihrer Idee in Kontakt mit Herrn Steichen treten. Die Start-up Prämie ist rückwirkend nicht mehr zulässig für bereits bestehende landwirtschaftliche Kleinstunternehmen.

Was bleibt zu bedenken?

Zu bedenken haben wir gegeben, dass Genehmigungen für die Errichtung eines Folientunnels in der Grünzone, welcher im Gemüsebau quasi unabdingbar ist (aber auch andere Konstruktionen, auch in anderen Sparten), nur landwirtschaftlichen Betrieben im Neben- und Vollerwerb gestattet ist. Man müsse sicher stellen, dass dementsprechend Ausnahmegenehmigungen (auch in Bezug auf Wasser und Strom) für Neugründungen möglich sind, ihre Vorhaben nicht im Voraus bereits nichtig sind sowie die Notwendigkeit unterstreichen, mit dem Ministerium für Umwelt, Klima und nachhaltige Entwicklung in Kontakt zu treten.

Am Beispiel einer Gemüsebau-Solawi wiesen wir darauf hin, dass Vorsicht geboten sei beim Förderausschluss von landwirtschaftlichen Betrieben im Nebenerwerb von der Existenzgründungsbeihilfe. Angenommen, es geht um die Neugründung einer Gemüsebau-Solawi auf einer Fläche von 0,6  ha (Légumes frais et fraises en culture maraîchère de plein air – Standardoutput = 47.656.-€/ha), was einen errechneten Standardoutput von 28.593,60.-€ ergeben würde. Der beschriebene Betrieb würde dadurch den Status des Nebenerwerbes (>25.000.-€ und < 75.000.-€) erhalten und nicht mehr förderfähig im Sinne der Start-up Prämie sein. Dies wäre insofern bedenklich, da diese Betriebe zwar durch den Status als Nebenerwerbsbetrieb Anspruch auf gewisse Fördergelder hätten, aber angesichts ihrer Flächengröße, bis auf die Investitionsbeihilfen kaum bezuschusst würden. Keinesfalls würde es sich dabei um eine Unterstützung wie die der Existenzgründungbeihilfe handeln. Hier gilt eine gründliche Betrachtung entsprechender Fälle und ein sinnvoller und fairer Umgang mit der Start-up Prämie bei der Vergabe.

Abschließend gilt zu betonen, dass es unbedingt eine gesetzliche Änderung in Bezug auf die Anerkennung der Wirtschaftlichkeit von bestehenden landwirtschaftlichen Kleinstbetrieben bedarf. Die geforderte Möglichkeit, anstelle des theoretischen Standardoutputs ihre reelle Buchführung vorlegen zu dürfen, würde es kleinstrukturierten Betrieben mit einer sehr hohen Flächenproduktivität endlich erlauben, den Status als Vollerwerbsbetrieb zu erhalten und auch als solcher im landwirtschaftlichen System behandelt zu werden, ohne flächenmäßig gegen ihren Willen und ohne reelle wirtschaftliche Notwendigkeit wachsen zu müssen. Nicht zuletzt braucht es diesen Schritt, weil die bereits funktionierenden Solawis einen wichtigen Beitrag in Hinblick auf politische Ziele und zivilpolitische Forderungen leisten, wie etwa die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen, die Förderung und Anbau von saisonalem, lokalem Gemüse und Obst sowie anderer frischer Lebensmittel in Direktvermarktung, die Schaffung von Strukturvielfalt und Diversität, die Verringerung von Abfall durch wenig bis keine Verpackung und Nahrungsverschwendung, die edukative Rolle durch Einbindung der Konsumenten oder auch der Beitrag zum Erhalt traditioneller Gemüse- und Obstsorten.

Eine Start-up-Prämie bietet Betriebsgründer*innen und Quereinsteiger*innen sicherlich eine solide Unterstützung beim Aufbau einer landwirtschaftlichen Existenz. Auf gesetzlicher Ebene muss dafür gesorgt werden, dass diese Existenz mit langfristigen Zukunftsperspektiven wurzeln kann.